Das Thema der TaxTech-Runde am Abend des 24.2. lautete: Welche Fachlichkeit erwartet der Anwender von Software? Teilnehmer waren Philip Hellmig (kanzlei.land), Paul Liese (hsp), Benjamin Panke (kontool) und Jan Moritz Wagner (getmyinvoices).

Die Runde eröffnete mit der Frage, ob Softwarehersteller für Fehler belangt werden können und wie sie Fehler ausschließen. Bei getmyinvoices wird zum Beispiel die Vollständigkeit der Belege durch vorgeschaltete Systeme sichergestellt, die den User bei Dokumenteneingang benachrichtigen und so eine Qualitätsprüfung gewährleisten. Ein Datenblatt erläutert den Usern zudem, wie die Portale zu pflegen sind. Es gibt es keine 100-prozentige Sicherheit, aber zahlreiche Alerts für den Nutzer, wenn ein Workflow abbricht und er eingreifen muss.

Auch bei kontool werden die Logiken geprüft, um Fehler zu vermeiden. Darüber hinaus kommt es aber auch auf die Daten, die geladen werden, und die Planung der Nutzer an: Falscheingaben können vom Programm weder kontrolliert noch kompensiert werden. Die Software dient als Lotse und Vorschlaggeberin für die User, kann aber keine Rechtssicherheit bieten. Ähnlich sieht es bei kanzlei.land aus: Die angebotenen Vorlagen erheben keinen Anspruch auf Rechtssicherheit.

Bei der hsp ist das ähnlich: Fehler und mögliche Konsequenzen hängen von den Einträgen der Anwender:innen und verschiedenen Faktoren des Prozesses ab und sind immer Fallentscheidungen. Zwar geben die Taxonomien des hsp-Tools eine Struktur für die Verfahrensdokumentation vor, aber Besonderheiten der Mandanten muss der Berater und User selbst erfassen.

Unterstützung vs. Eigenverantwortung

Hier entsteht ein Zwiespalt: auf der einen Seite die Erwartungshaltung, dass das Tool so einfach wie möglich durch den Prozess führt. Auf der anderen Seite steht der Wunsch, möglichst weite fachliche Führung zu ermöglichen. Gerade bei der Verfahrensdokumentation gibt es keine formellen Vorgaben, nur Empfehlungen. Ob sie am Ende bei einer Betriebsprüfung abgenommen wird, liegt allein im Ermessen der prüfenden Person. Deswegen sind auch Muster und Best Practices für die Detailtiefe immer von Unternehmen abhängig. Paul Liese hat die Erfahrung gemacht: Je mehr fachliche Führung die Software bietet, desto komplexer ist sie in Entwicklung, Weiterentwicklung und Pflege.

Eine Wahrnehmung der Runde war, dass Fachlichkeit von den Kanzleien und deren Beratung ausgeht und Software eher ein Werkzeug darstellt, um diese umzusetzen. Kanzleien können die Inhalte selbst bewerten und sollten selbstbewusster auftreten. Insgesamt ist diese Fachlichkeit im Aufbau, gerade auch, weil durch ein Mehr an Automatisierung klassische Steuerberater-Tätigkeiten wie zum Beispiel die Buchhaltung wegfallen.

Eine gute Usability gewährleisten

Bei der hsp liegt eine Herausforderung in der Heterogenität der Anwender:innen: Manche kennen das Tool aus dem Effeff, seine Möglichkeiten und Komplexität, und nutzen diese Freiheiten aus. Neuanwender:innen und Gelegenheitsnutzende sind dagegen von der Komplexität überfordert, weil sie nicht genau wissen, welche Komponenten sie gerade wirklich benötigen. Deshalb will die hsp künftig zwei Oberflächen zur Verfügung stellen: einen vereinfachten Modus mit den wichtigsten Elementen sowie die vollumfängliche Variante.

Auch bei getmyinvoices gibt es einen Standardworkflow mit Leitplanken, die den User führen, sowie einen Expertenmodus, in dem Eigenkonfigurationen vorgenommen werden können. So will man alle Userinnen abholen. Wie wichtig eine saubere Oberfläche für eine gute Usability ist, kann auch kanzlei.land bestätigen.

Kritik von Anwenderseite

An dieser Stelle meldete sich im Clubhouse-Raum von Anwenderseite eine kritische Stimme. Demzufolge besteht eine Herausforderung in der Einführung der Tools und darin, Mandant:innen und Mitarbeiter:innen mitzunehmen. In dem Fall war das Ziel, Kanzleien mit kanzlei.land und kontool zu digitalisieren – der Leitfaden musste selbst entwickelt, die Ansprache formuliert sowie Schnittstellen, Systeme und Scanner eingerichtet werden, was als sehr aufwändig und zeitintensiv empfunden wird.

Hier wurden fertige Prozesse als Schablonen von den Softwareanbietern als hilfreich empfunden. Beispielsweise bietet die hsp einem Kunden einen Prozessbaum für die Erstellung der Verfahrensdokumentation an, der die Abläufe komplett abbildet. Schulungsvideos wurden von dem Anwender als ungeeignet angesehen. Er zog Seminare vor, weil die kollektive Schulung eine größere Wirkung entfalte: Führung statt Selbststudium.

Für die Software-Anbieter ist es nicht immer leicht zu bestimmen, wo die Grenzen von Fachlichkeit sind und was von der Kanzlei selbst geleistet werden kann. Um alle Anwender abzuholen, müsste also ein Mix aus fachlicher Führung und Prozessvorgaben angeboten werden.

Clubhouse Logo

Die Besonderheiten der DATEV

Im Falle der DATEV muss die Software auch fachliches Knowhow bereitstellen, um fehlendes Wissen in Kanzleien aufzufangen. Das Programm macht Vorschläge für die nächsten Prozessschritte oder gibt Tipps für die Gesetzesrecherche. Das spart dem User Zeit, der sonst selbst recherchieren müsste, um einen Sachverhalt abbilden zu können.

Die Software-Anbieter waren hier der Meinung, dass das DATEV-Programm für Expert:innen eben ein gewisses Wissen voraussetzt und dass Kanzleien die Kniffe und ihr Handwerk kennen sollten. Die Anwender:innen dagegen kritisierten die wenig intuitive Bedienung und den spaßfreien Umgang. In der Praxis nutzen sogar manche Profis ganz einfache Programme, die sich eigentlich an Laien richten, da solche Software-Lösungen eine wesentlich intuitivere Usability bieten.

Verfahrensdokumentation und Schulungsvarianten

Das Thema Verfahrensdokumentation wurde 2018 richtig interessant, als die Kassennachschau eingeführt wurde. Die hsp hat beobachtet, dass theoretisches Wissen zwar vorhanden war, Kanzleien sich aber dennoch Fragen stellten wie: Was muss genau hinein, wie, an welcher Stelle und in welchem Umfang? Daran hat sich nichts geändert. Daher schult die hsp in E-Learning-Einheiten und gibt Seminare auf Kundenwunsch. Live-Schulungen involvieren in der Regel einen Use Case mit einem Mandanten. Dort zeigt die hsp, wie konkrete Situationen dokumentiert werden können.

Für die hsp ist das Angebot für die Verfahrensdokumentation eine Mischung aus Service und Software. Um ein Gefühl für die Thematik zu bekommen, erstellen Kanzleien eine echte Dokumentation mit der Unterstützung der hsp. So sind diese in der Lage, ihre Mandant:innen abzuholen. Auch getmyinvoices und kontool bieten kostenpflichtige Seminare als zusätzliche Beratungsangebote an.