hsp Podcast Banner Button lieber hören

Strengere Vorschriften und Dokumentationspflichten – die Rahmenbedingungen für die Bestimmung der Verrechnungspreise sind eng geworden. Nachdem andere Themen das Jahr 2022 dominiert haben, fragen sich viele Betroffene in Steuerkanzleien: Wie sieht der aktuelle Stand bei Verrechnungspreisen Ende 2022 aus? Genau darüber haben hsp-Chef Paul Liese und Tobias Polka, Wirtschaftsprüfer bei der ADKL und Experte für Transfer Pricing, in „hsp live um 11“ gesprochen.

Was gibt es Neues? Der Gesetzgeber hat einige Details aktualisiert und ergänzt. Die Funktionsverlagerungsverordnung passt auf kein Scrabble-Spielbrett, regelt aber die Verlagerung von Funktionen ins Ausland und deren steuerliche Zuführung. Verlagert ein Unternehmen eine Funktion ins Ausland, so entzieht er dem Staat Steuersubstrat für die Zukunft. Deshalb erhebt dieser eine Exitsteuer. Der gesamte Prozess ist Teil der Verrechnungspreisbesteuerung. Um allerdings den Vorgang steuerlich korrekt abzuwickeln, muss das Unternehmen die Funktionsverlagerung überhaupt als solche erkennen.

Nicht selten findet eine Funktionsverlagerung aus dem alltäglichen Betrieb heraus statt. Es reicht beispielsweise schon, wenn ein:e Mitarbeiter:in ins Ausland geschickt wird, um dort etwas aufzubauen. Wird dies erst bei der Betriebsprüfung bemerkt, ist es bereits zu spät. Viele Unternehmen verlassen sich darauf, bei Bedarf rückwirkend eine Dokumentation zu erstellen. Doch Tobias Polka warnt davor und empfiehlt eine sofortige oder möglichst zeitnahe Dokumentation. Denn je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger gestaltet es sich, alle notwendigen Informationen zu beschaffen. Mal fehlen Unterlagen, mal Personen. In solchen Fällen trägt die steuerpflichtige Person die Verantwortung.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Aus datenschutzrechtlichen Gründen benötigt YouTube Ihre Einwilligung um geladen zu werden. Mehr Informationen finden Sie unter Datenschutz.
Akzeptieren

Transfer Pricing muss zur Regel werden

Wie oft muss die Verrechnungspreisdokumentation erledigt werden? Die Faustregel besagt: mindestens einmal im Jahr. Komplexe Vorgänge sollten sofort dokumentiert werden. Tobias betont, dass die Verrechnungspreisdokumentation ebenso zu den Compliance-Themen gehört wie der Jahresabschluss oder die Verfahrensdokumentation. Vor der Pflicht kann sich niemand wegducken. Was gemacht werden muss, muss gemacht werden. In Deutschland werden die Vorschriften dazu immer strenger, im Ausland sind sie teils jetzt schon wesentlich strenger. So muss in der Türkei die Verrechnungspreisdokumentation der jährlichen Steuererklärung beigefügt werden.

Die unterschiedlichen Regelungen in den verschiedenen Staaten zeigt eines sehr deutlich: Konzerne mit internationalen Niederlassungen sollten einen Standardprozess definieren, den alle Standorte umsetzen. Je früher, genauer und einheitlicher die Dokumentationen stattfinden, desto weniger Kosten und juristischer Ärger entstehen. Aber auch für kleinere Unternehmen empfehlen sich standardisierte Verrechnungspreisdokumentationen. Denn niemand weiß, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickeln wird.

Wer international tätig ist, muss sensibilisiert werden

Paul möchte wissen, wann Tobias auf seine Mandanten zugeht, um sie auf die Verrechnungspreisdokumentation aufmerksam zu machen. Tobias Polka antwortet, dass es auf Größe des Unternehmens ankomme. Unterm Strich gilt es, alle Personen in einem Unternehmen, die Auslandssachverhalte realisieren können, für das Thema zu sensibilisieren. Dies wird durch Schulungen erreicht, zudem wird eine Verrechnungspreisrichtlinie installiert. In solch einer Richtlinie wird beispielsweise festgelegt, dass vor Freigabe einer möglichen Funktionsverlagerung ins Ausland die betroffenen Stellen informiert werden müssen. Zu Letzteren gehören Finance, Controlling und Steuerberatung bzw. Steuerabteilung. Wichtig sei die Sensibilität für das Thema, so Tobias. Werden sämtliche Schritte bereits vor und während der Ausführung festgehalten, erfordert die Dokumentationserstellung am Ende den geringsten Aufwand.

Wie sieht es bei der Beauftragung einer Person im Ausland aus? Wie immer kommt es auf einige Details an. Tobias antwortet, dass bei der Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland das Transfer Pricing in jedem Fall eine Rollte spielt. Auch bei einer Person, die vorher in Deutschland für das Unternehmen mit Sitz in Deutschland tätig war und nun ins Ausland geht, sollte der Sachverhalt geprüft und festgehalten werden. Da es in diesem Bereich viele unterschiedliche Vorgehensweisen und Vorgänge gibt, bietet es sich an, als Unternehmen in jedem Fall Fachpersonen zu Rate zu ziehen.

Nur Genauigkeit sorgt für Sicherheit

Grundsätzlich habe sich nichts an der Verrechnungspreisdokumentation geändert, so Tobias. Allerdings gibt es materiell immer wieder Veränderungen, etwa die seit einigen Monaten steigenden Zinsen. Hier müssen Konzerne überprüfen, ob die intern vereinbarten Zinsen noch fremdüblich sind und dem Markt entsprechen. Generell stellt Tobias ein aktuell äußerst volatiles Umfeld fest. Durch die zahlreichen Erschütterungen des Marktes ist die Situation der Verrechnungspreise stark durcheinandergebracht worden. Daher kann die Aufgabe der Verrechnungspreisdokumentation nur die gute Absicht aufzeigen, alles korrekt und sauber abzubilden. Paul stellt ergänzend fest, dass es gerade in solchen Zeiten leichtsinnig sein könnte, die Dokumentation aufzuschieben.

Bei verschiedenen Bereichen der Betriebsprüfung geht der Trend eindeutig zur Beweislastumkehr. Die Prüfenden verlangen immer stärker, dass Steuerpflichtige die Fehlerfreiheit ihrer Vorgänge und Unterlagen beweisen müssen. Tobias Polka betont, dass dieser Trend in der Verrechnungspreiswelt schon viel früher begonnen hat. Die Erfahrungen zeigen auch, dass bei fehlerhafter Dokumentation die Prüfenden direkt dazu übergehen, Schätzungen vorzunehmen. Dass diese wesentlich höher liegen als die reellen Zahlen, bedarf keiner gesonderten Unterstreichung. Auch ist davon auszugehen, dass die Prüfungen der Verrechnungspreise immer mehr auch KMU betreffen und nicht nur Konzerne.