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Lass mal einen Externen drüberschauen: Zertifizierungen bieten einen guten Einblick in die eigenen Prozesse. Auch Kanzleien können sich diverse externe Dienstleister ins Haus holen, die nach bekannten und weniger bekannten Prüfungsnormen Zertifizierungen ausstellen. Aber lohnt sich das? Zertifikate von TÜV und Co. sehen schick aus und machen sich gut – sowohl an der Bürowand als auch auf der Website. Aber was bringen sie konkret? Das weiß Holger Bodmann, selbständiger zertifizierter EFQM-Assessor. Mit Paul Liese spricht er über nützliche Zertifikate für Kanzleien, echte Mehrwerte und Herangehensweisen.

Holger Bodmann ist 58, Steuerberater und Rechtsanwalt und seit 35 Jahren in der Steuerbranche unterwegs. Aktuell ist er verstärkt im Bereich Kanzleientwicklung unterwegs, sowohl in der eigenen Kanzlei als auch im Kooperationsverbund HSP GRUPPE mit mehr als 100 Kanzleien. Sein Beschäftigungsfeld vergleicht er gern mit den berühmten dänischen Kunststoffbausteinen. Alles passt perfekt an-, auf- und ineinander, wobei die Grundplatte das Fundament bildet. Übertragen auf die Steuerbranche, ist die Grundplatte ein zertifizierbares Management.

Seine Anfänge im Bereich Zertifizierungen reichen in seine Zeit als Steuerberater zurück. Damals taten sich einige Leute zusammen, um über die Strukturierung ihrer Arbeitsprozesse nachzudenken. Auf der Suche nach einer Grundlage stieß die Gruppe bald auf die ISO-Norm. Zu dieser Zeit ging es weniger um smarte digitale Prozesse als darum, etwa die Postwagen richtig zu kalibrieren.

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Eine Frage der Perspektive

Die Hinterfragung der eigenen Prozesse kam nicht überall gut an, im Gegenteil. Heftiger Gegenwind kam von den Steuerberaterkammern. Dies ging von natürlicher Abwehrhaltung bis hin zur Androhung berufsrechtlicher Verfahren. Denn es kam überhaupt nicht in Frage, eigene Prozesse in Frage zu stellen. Eines der Hauptargumente der Befürwortenden war die Bestätigung nach außen, Standards einzuhalten und das Vertrauen in die Kanzlei zu erhöhen.

Damals schwappte die Zertifizierungswelle durch die Automobilindustrie. Viele Zulieferer verloren ihre Geschäftsverbindungen, wenn sie sich bestimmten Audits und Zertifizierungsverfahren verweigerten. Holger hat dazu eine klare Meinung. Er hält nichts von Zertifizierungen durch Druck von außen. Vielmehr sollte die Motivation daher kommen, dass es Vorteile und Mehrwerte schafft, sich die eigenen Prozesse genauer anzuschauen und zu optimieren.

Letztendlich geht es um Prozessoptimierung

Aber was bringen Zertifizierungen? Mandanten wird es im Zweifel egal sein, ob die Steuerberatung Zertifikate hat. Zur Antwort zeigt Holger eine aktuelle ISO-Zertifizierung vom TÜV Nord. Eine solche Zertifizierung stellt sicher, dass die Abläufe sinnvoll aufgebaut sind und gewissen Standards entsprechen. Allein schon aus Effizienzgründen sollten Kanzleien wissen, ob die eigenen Prozesse stimmen. Auch geht es um die Vermeidung von Fehlern. Wer Fehler vermeidet, erhöht Effizienz und Sicherheit der eigenen Prozesse.

Das System ist – Beispiel ISO – nicht fehlerfrei. So wird bei der ISO-Zertifizierung nachgeschaut, ob das Unternehmen die Checklisten einhält. In die inhaltliche Tiefe geht die Prüfung allerdings nicht. Die inhaltliche Richtigkeit muss das Unternehmen selbst gewährleisten.

Reaktionen und Ergebnisse

Gibt es Feedback von Mandanten? Zunächst einmal betont Holger, dass der Ertrag einer Zertifizierung nicht messbar ist. Die Mandanten sind zufrieden, was die Kanzlei immer wieder über Erhebungen bestätigt bekommt. Darüber hinaus handelt es sich um einen kontinuierlichen Prozess, bei dem die Abläufe stetig verbessert werden. Der Zertifizierungsakt bleibt eine Momentaufnahme. Vorab wurde lange Zeit gesagt, man brauche kein externes Zertifikat. Immerhin kostet ein solches Zertifikat auch Geld. Für das aktuelle Audit und die Zertifizierung wurden etwa 6500 € ausgegeben. Allerdings besteht der Nutzen darin, die Kanzlei immer wieder anzutreiben und sich zu hinterfragen.

Beispielsweise sprach ein Prüfer die fehlenden internen Audits an. Die Einführung eines neuen internen Auditsystems sorgte zunächst für wenig Begeisterung. Allerdings konnten schnell Ergebnisse erzielt werden. Gesammelt wurden einige negative, aber auch ähnlich viele positive Feedbacks. Letztendlich profitieren die Teams am meisten von solchen Audits. Denn in einer effizienteren Umgebung läuft die Arbeit natürlich wesentlich angenehmer, die Mandanten sind zufriedener und die eigenen Ergebnisse besser.

EFQM mit einem anderen Ansatz als ISO

EFQM geht einen etwas anderen Weg als ISO. Beim EFQM wird viel mehr auf größere Zusammenhänge und inhaltliche Substanz geschaut. Es geht um die Frage, welchen Nutzen das Unternehmen für dessen Interessensgruppen stiften kann. Im Steuerbereich handelt es sich nicht nur um die Mandanten, sondern auch um die Mitarbeitenden, die Steuerberaterkammer, die DATEV oder die Banken. Wenn das alles stimmt, ist der Erfolg nicht zu vermeiden. Dies entspricht grundsätzlich einer vollkommen anderen Vorgehensweise als zu Beginn die KPIs als Ziele aufzustellen.

Was empfiehlt Holger Steuerberatungen und Kanzleien, die noch keinerlei Aktivitäten in die Richtung Zertifizierung durchgeführt haben? Holger empfiehlt, mit einer internen Analyse zu beginnen. Die HSP GRUPPE ist mit einem Positionierungsworkshop gestartet. Handlungsfelder, Baustellen identifizieren, eventuell ein Vor-Audit durchführen, wo es noch gar nicht um die Zertifizierung geht, aber die Prozesse unter die Lupe genommen werden.

Paul fragt, ob man nicht auch mal eine Verfahrensdokumentation für sich selbst erstellen sollte. Holger kann dem nur beipflichten. Jede Methode, die die Prozesse erfasst und für mehr Qualität sorgt, hilft. Zum Abschluss gibt der Fachmann den Zuschauenden drei Schritte mit auf dem Weg: Erstens, sich zu fragen: Welches Ziel verfolgen wir? Zweitens sollte die Frage folgen: Welche Situation herrscht aktuell? Und drittens: Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen, um das Ziel zu erreichen?