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Das Thema Verfahrensdokumentation ist immer aktuell. Eigentlich. Doch viele Mandanten verdrängen es oder unterschätzen es gnadenlos. Somit bleibt den Kanzleien nichts anderes übrig, als immer wieder nachzuhaken. Viele Steuerberater:innen lassen das Thema irgendwann einfach ruhen. Die Fürther Steuerkanzlei Müller Blum aber ist mit dem Thema Verfahrens- und Prozessdokumentation sehr erfolgreich. Was sie anders machen und wie der Alltag mit den Mandanten aussieht, hat uns Steuerassistent Julian Stettner in „hsp live um 11“ erzählt.

Julian Stettner arbeitet seit etwa einem halben Jahr bei Müller Blum. Das Thema der Dokumentation ist ganz unverhofft und spontan bei ihm auf dem Tisch gelandet. Doch er stellte bald fest, dass dieser Bereich sehr spannend sein kann. Dies ist auch der Grund, wieso er das Thema in seine Promotion an der Universität Bamberg mit aufgenommen hat. Sein Arbeitgeber ist auf IT-Beratung und steuerliche Prozessberatung spezialisiert. Dass die Verfahrensdokumentation da eine wichtige Rolle spielt, deutet ihr Potenzial an, das viele Mandanten noch nicht erkannt haben.

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Bereits vor der Zeit bei Müller Blum hat sich Julian viel mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. Als er erfuhr, dass eine Kanzlei um die Ecke durch und durch digital denkt, war ihm klar, dass er sich dort vorstellt. Er betont aber, dass das Thema Verfahrensdokumentation völlig neu für ihn war.

Die erste Frage an Julian geht in Richtung Digitalisierung: Wie hält er es mit der Digitalisierung von Prozessen? Hauptsache digital – oder nur, wenn es direkt eine Verbesserung gibt? Julian denkt sofort an die Unternehmer:innen, die ihre Prozesse auf keinen Fall ändern möchten. „Das haben wir immer schon so gemacht“ ist mittlerweile zu einem Meme in der digitalen Welt geworden. Aktuell betreut Julian besonders viele E-Commerce-Unternehmen. Diese arbeiten mit Massendaten. Eine Buchführung oder Steuerberatung ohne Digitalisierung wäre für diese Mandanten unmöglich.

Auftragserteilung in der Praxis

Gastgeber Paul möchte es konkreter wissen: Es gibt den einen Weg, dass ein Mandant auf die Kanzlei zukommt mit dem Wunsch, durch Digitalisierung Mehrwerte für sich zu schaffen. Dazu gehören Zeitersparnis, Kostenreduktion, usw. Den anderen Weg sieht Paul von der Kanzlei ausgehend. Etwa, wenn Belege vom Mandanten in der Art und Weise bei der Kanzlei ankommen, die unnötig viel Aufwand verursacht. In dem Fall würde die Kanzlei auf den Mandanten zugehen, um bei sich selbst die Aufwände zu reduzieren. Wie sehen diese Wege bei Julian im Alltag aus?

Julian antwortet, dass die Digitalisierung bzw. Prozessoptimierung immer mit einem Gespräch mit dem Mandanten beginnt. In dem Gespräch werden die bestehenden Prozesse beleuchtet. Handelt es sich um einen Mandanten, der übernommen wird, schaut Julian zunächst einmal in die Finanzbuchhaltung. Über die Daten liest er heraus, was bisher gemacht wurde. Anschließend wird ein Konzept mit Berücksichtigung technischer Möglichkeiten erstellt. Der Hauptaugenmerkt liegt darauf, bestehende Prozesse zu verdichten oder zu vereinfachen. Nun liegt es am Mandanten, die Prozessoptimierung umzusetzen. Bisher hat Julian es noch nie erlebt, dass ein Mandant die Beratung nicht angenommen hat. Entscheidet sich der Mandant für die Umsetzung, wird hinterher die Verfahrensdokumentation erstellt. Mit ihr wird überprüft, ob und in welchem Umfang der Mandant die Maßnahmen umgesetzt hat.

Aus der theoretischen Optimierung in die kontrollierte Praxis

Wie sieht eine solche Überprüfung aus? Julian antwortet, dass es verschiedene Kontrollmechanismen und -methoden gibt. Ein Beispiel: die Belegprüfung. Der Mandant wird angehalten, seine Belege auf DATEV Unternehmen Online zu prüfen. Es gibt ein Tool von DATEV zur Belegprüfung. Man kann aber auch den Status des Belegs ändern und anschließend in einen Ordner mit dem Namen „Belege geprüft“ verschieben. Wenn die Kanzlei nun eine Finanzbuchhaltung erstellt und feststellt, dass der Belegeordner leer ist, weiß sie, dass dieser Prozess vom Mandanten nicht umgesetzt wurde. Julian ist ausschließlich für kleine und mittelständische Unternehmen tätig, daher werden die Prozesse bevorzugt manuell geprüft. Für Konzerne können auch automatisierte Prüfungsmechanismen realisiert werden.

Paul hat an anderer Stelle von einem Unternehmen erfahren, das eine umgesetzte Dokumentation nicht lebt. Es wurde zwar eine umfangreiche und vollständige Verfahrensdokumentation erstellt. Doch diese liegt nur in der Schublade, um bei einer Betriebsprüfung eine GoBD-konforme Verfahrensdokumentation vorlegen zu können. Julian hat bereits angedeutet, dass seine Mandanten ganz anders an die Hand genommen werden. Er betont an der Stelle, dass das Leben der Doku dem Mandanten zugutekommt.

Anforderungen der Betriebsprüfung ändern sich

Außerdem merkt der Fachmann an, dass allein die Existenz einer Verfahrensdokumentation keine Schuldbefreiung bedeutet. Eine Verfahrensdokumentation kann auch verworfen werden. In dem Zuge helfe es auch nicht, dass es keine klare Vorgabe seitens Gesetzgeber gibt, eine Dokumentation erstellen zu müssen. Hier fragt Julian nach Pauls Perspektive dazu. Paul beantwortet die Frage, indem er die Situation beim Thema Verrechnungspreisdokumentation als Vergleich hinzuzieht. Diese wird fällig, wenn ein Unternehmen Waren und Dienstleistungen mit anderen Unternehmen austauscht. Die Erfahrung zeigt wohl, dass bei Betriebsprüfungen zunächst die Dokumentation unter die Lupe genommen wird. Liegt ein formeller Mangel vor, findet eine Schätzung statt.

Bei der Verfahrensdokumentation sind wir noch nicht so weit. Allerdings ist zu erwarten, dass auch dort die Betriebsprüfung zunächst über die Doku geht. Fehlt diese oder ist diese mangelhaft, lohnt es sich für die prüfende Person nicht, sich die Daten anzuschauen. Denn ohne Kenntnis über die Prozesse und Verantwortlichkeiten können die Daten nicht adäquat bewertet werden. So schätzt Paul die Entwicklung ein. Auch würde er als Steuerberater auf einer Verfahrensdokumentation bestehen, um sämtliche Prozesse des Mandanten zu kennen. Darüber hinaus würde er auf einer sauberen digitalen Zurverfügungstellung der Daten bestehen. Dies erwähnt Paul mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Effizienz einer Kanzlei.

Unbegründete Vorbehalte überwinden, Mehrwerte schaffen

Die Existenz einer Verfahrensdokumentation erleichtert allen Beteiligten die Arbeit. Der Mandant kann seine Prozesse optimieren. Übergaben und Vertretungen werden erheblich erleichtert. Die Betriebsprüfung löst keine Panik aus. Für die Kanzlei bedeutet eine Dokumentation, dass die Daten sauber ankommen, diese interpretiert und bewertet werden können. Und für die Betriebsprüfer:innen bedeutet die Verfahrensdokumentation eine große Arbeitserleichterung.

Julian sieht die Abneigung gegenüber der Doku in der gefühlten Komplexität. Im Internet finden sich Vorlagen, die enorme Umfänge aufweisen. Doch der Umfang der Doku hängt von der Komplexität und Größe eines Unternehmens ab. Und mit dem richtigen Programm, das eine integrierte Erstellungshilfe anbietet, lässt sich eine Doku einfach erstellen.