Verfahrensdokumentation-Inhalt: Was ist sinnvoll, was nicht?
Die Verfahrensdokumentation ist ein zentrales Element für Unternehmen, um Prozesse transparent, nachvollziehbar und compliant zu gestalten. Doch welche Elemente sind Inhalt einer Verfahrensdokumentation? Und wie kann man sicherstellen, dass die Dokumentation nicht nur formal besteht, sondern tatsächlich einen Mehrwert für das Unternehmen bietet? Im Gespräch mit Steuerberater Torsten Stockem, Partner der Düsseldorfer Kanzlei Energiesozietät und Experte für Verfahrensdokumentation und IKS, beleuchtet Gastgeber Paul Liese die wesentlichen Aspekte und Fallstricke rund um das Thema Verfahrensdokumentation. Im folgenden Artikel lesen Sie die Kernpunkte des Talks und erfahren, wie Unternehmen mit einer gut strukturierten Verfahrensdokumentation ihre Prozesse optimieren und Risiken minimieren können.
Einführung: Warum Verfahrensdokumentation wichtig ist und was sie bedeutet
Die Verfahrensdokumentation ist kein gesetzlich strikt definiertes Dokument, sondern eine Empfehlung, die sich aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoBD) ableitet. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in entsprechenden Schreiben die Verfahrensdokumentation als ein wichtiges Steuerungsmittel für Unternehmen hervorgehoben. Dabei geht es nicht nur um die Erfüllung formaler Anforderungen gegenüber der Finanzverwaltung, sondern vor allem darum, dass Unternehmen ihre internen Abläufe transparent und nachvollziehbar gestalten.
Torsten Stockem bringt es auf den Punkt: Eine Verfahrensdokumentation ist vergleichbar mit Sicherheitsmaßnahmen im Alltag. Wie man beim Klettern auf ein Dach Sicherungsmaßnahmen ergreift, so muss auch ein Unternehmen Vorkehrungen treffen, um Prozesse sicher, fehlerfrei und regelkonform abzubilden. Die Verfahrensdokumentation dient somit als Instrument, das Compliance gewährleistet und gleichzeitig hilft, interne Prozesse zu optimieren und Fehler frühzeitig zu erkennen.
Inhalte der Verfahrensdokumentation: die drei zentralen Säulen
Eine Verfahrensdokumentation umfasst laut Torsten Stockem drei wesentliche Kapitel, die zusammen die Basis für eine umfassende und funktionale Dokumentation bilden:
Individuelle Gestaltung statt Standardlösung: Warum Verfahrensdokumentationen nie gleich sind
Ein zentrales Thema im Gespräch ist die Individualität der Verfahrensdokumentation. Torsten Stockem stellt klar, dass keine Verfahrensdokumentation exakt wie die eines anderen Unternehmens aussehen kann. Das liegt an den unterschiedlichen Unternehmensgrößen, Branchen, Märkten, IT-Systemen und Organisationsstrukturen. Ein Unternehmen, das national tätig ist, hat andere Anforderungen als ein international agierendes Unternehmen. Ebenso unterscheiden sich die eingesetzten ERP-Systeme stark, von einem zentralen System mit Nebenbüchern bis hin zu mehreren parallelen Systemen ohne automatisierte Schnittstellen.
Die Verfahrensdokumentation muss also immer maßgeschneidert sein, um den individuellen Gegebenheiten gerecht zu werden. Ein „One-Size-Fits-All“-Ansatz, der durch ein Tool vorgegeben wird, kann schnell dazu führen, dass wichtige Details übersehen werden oder die Dokumentation nicht mehr die Realität widerspiegelt.
Verfahrensdokumentation als lebendes Dokument: Pflege und Aktualisierung sind Pflicht
Eine Verfahrensdokumentation ist kein statisches Dokument, das einmal erstellt und dann in der Schublade vergessen wird. Vielmehr muss sie kontinuierlich gepflegt und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Torsten betont, dass mindestens einmal jährlich eine Überprüfung der Verfahrensdokumentation sinnvoll ist, um neue gesetzliche Anforderungen, Prozessänderungen oder technologische Anpassungen zu berücksichtigen.
In größeren Unternehmen oder bei komplexen Prozessen empfiehlt sich die Einrichtung eines TCMS-Officers (Tax Compliance Management System Officer), der die Verantwortung für die Pflege, Überwachung und Aktualisierung der Verfahrensdokumentation übernimmt. In kleineren Unternehmen kann diese Aufgabe auch in Nebenfunktion durch geeignete Mitarbeitende erledigt werden.
Regelmäßige Schulungen der Mitarbeitenden sind dabei unverzichtbar. Die Verfahrensdokumentation sollte nicht nur vorgelegt, sondern aktiv genutzt werden, um neuen Mitarbeitenden den Einstieg zu erleichtern und bestehende Mitarbeitende auf dem aktuellen Stand zu halten. Dass Mitarbeitende sich mit der Verfahrensdokumentation auseinandersetzen, sollte dabei keine Bitte sein, sondern eine Pflicht.
Verfahrensdokumentation und Software: Unterstützung, aber kein Ersatz
Viele Unternehmen fragen sich, ob Softwarelösungen die Erstellung und Pflege der Verfahrensdokumentation übernehmen können. Torsten und Paul sind sich einig: Software kann ein hilfreiches Werkzeug sein, um die Dokumentation zu strukturieren, Vorlagen bereitzustellen und Prozesse abzubilden. Allerdings darf die Software nicht die Struktur und den Inhalt der Verfahrensdokumentation vorgeben. Die Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung und die individuelle Anpassung liegt immer beim Unternehmen und den fachlich zuständigen Mitarbeitenden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Verfahrensdokumentation die tatsächlichen Abläufe widerspiegelt und alle relevanten Besonderheiten berücksichtigt.
Die Verfahrensdokumentation ist nicht nur ein Dokument für die Betriebsprüfung, sondern vor allem ein wertvolles Instrument für das Unternehmen selbst. Sie hilft, Prozesse transparent zu machen, Schwachstellen aufzudecken und Optimierungspotenziale zu identifizieren. Torsten berichtet aus zahlreichen Projekten, dass Mandanten nach der Erstellung und Pflege der Verfahrensdokumentation häufig feststellen, dass ihre Abläufe effizienter, sicherer und weniger fehleranfällig geworden sind. Die Dokumentation schafft somit eine Grundlage für bessere Zusammenarbeit, höhere Datenqualität und letztlich auch eine Entlastung der Geschäftsführung, da Verantwortlichkeiten klar geregelt sind.