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Sie steht ohne Vorankündigung an und hat schon bei manchem zum bösen Erwachen geführt: die Kassenschau. Bargeldintensive Unternehmen, die eine Verfahrensdokumentation pflegen, brauchen diese aber nicht zu fürchten.

Gerd Achilles, Betriebsprüfer und Autor, war im Livetalk „hsp live um 11“ zu Gast und tauschte sich mit hsp-Geschäftsführer Paul Liese über die Betriebsprüfung im Allgemeinen, die Kassenschau im Besonderen und die Vorteile einer Verfahrensdokumentation aus.

Zu eben diesem Thema liegt ein aktuelles Gerichtsurteil vor: Das Finanzgericht Münster urteilte im April dieses Jahres über die Auswirkung von Mängeln in der Kassenführung. Geklagt hatte die Betreiberin eines griechischen Imbisses, der bei einer Betriebsprüfung vorgeworfen wurde, die Kassenbewegungen nicht ordnungsgemäß aufzuzeichnen. In der Folge verwarf der Prüfer die Aufzeichnungen und nahm Hinzuschätzungen vor. Das Gericht stellte nun fest, dass wegen kleinerer, formeller Mängel nicht die gesamte Buchhaltung verworfen werden kann. „Ich befürchte, dass das Urteil eine falsche Signalwirkung hat“, nimmt Gerd Achilles eine Einschätzung vor. „Aber der Fall hätte auch nach hinten losgehen können“, warnt der Betriebsprüfer all jene, die sich aufgrund des Urteils im Sicheren wiegen. Denn auch Dokumentationen, die formell richtig sind, können sachlich falsch sein und dann vom Betriebsprüfer widerlegt werden. Auch der Bundesfinanzhof macht deutlich: Die Mängel müssen gewichtet werden.

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Gute Vorbereitung auf Kassenschau durch die Steuerkanzleien

Eine gute Vorbereitung ist deshalb das A und O. Steuerberatungskanzleien bargeldintensiver Unternehmen sollten ihre Mandantschaft – sprich: Unternehmer:innen und Mitarbeitende – deshalb schulen, um die Situation der Kassenprüfung zu entstressen. Wie sollten sich Mandanten bei der Kassenschau verhalten? Was könnte bei der Prüfung verlangt werden? Welche Daten und Dokumentationen sollten vor Ort sein? Gibt es in der Kasse eine Prüferrolle, sodass die Betriebsprüfer:innen selbst einen Blick in die Kasse werfen können? „Oft haben wir schon die Problematik, dass der Unternehmer selbst nicht vor Ort ist“, weiß Gerd Achilles aus eigener Erfahrung. Eben deshalb ist es entscheidend, dass die Mitarbeiterschaft entsprechend instruiert ist, weiß, wo welche Datensätze liegen und welche Daten überhaupt rausgegeben werden dürfen. „In Arztpraxen wurden auch schon die Patientennamen mit rausgegeben, das darf natürlich nicht passieren“, berichtet der Experte. 

Grundsätzlich besteht bei der Kassenschau zwar auch die Möglichkeit, diese abzulehnen, davon rät der Betriebsprüfer aber dringend ab. „Die Blockade bringt immer sehr wenig, insbesondere wenn man die Nachschau nur macht, um eine gescheite Fallauswahl zu treffen“, weiß Gerd Achilles. „Der Prüfer macht ja nicht mehrere Kassenschauen, bis er den Unternehmer endlich antrifft.“ Schnell könnten die Prüfer:innen also die Geduld verlieren und statt der Kassenschau eine ganze Betriebsprüfung durchführen.

Mit der entsprechenden Vorbereitung schaffen Unternehmen nicht nur Sicherheit für sich und die Mitarbeiterschaft, sondern auch ein gutes Prüfungsklima. „Wenn der Prüfer den Eindruck hat, das nichts verborgen wird, ist das schon sehr gut“, so Gerd Achilles. Eine Unternehmerin eines Golfclubs zum Beispiel versucht in dieser Hinsicht sehr strikt, die Vorgaben einzuhalten: War es an ihrer Theke früher üblich, dass die Gäste das Geld für die letzte Runde einfach auf die Theke legten, weist heute ein Aufsteller explizit darauf hin, dass dies wegen der Belegausgabepflicht unterlassen werden soll.

Verfahrensdokumentation: Weit mehr als eine Vorbereitung auf die Betriebsprüfung

Die Verfahrensdokumentation bietet eben eine solch gute Vorbereitung – und im Grunde mehr Vorteile für die Unternehmen als für die Betriebsprüfung. „Für mich ist die Verfahrensdokumentation, was die Finanzverwaltung angeht, eher ein Anhängsel“, sagt Gerd Achilles. „Viele Unternehmen meinen zwar, sie machen sie für das Finanzamt, aber das ist mitnichten so.“ Vielmehr bietet eine Verfahrensdokumentation großes Potenzial für die Unternehmen selbst: Einsparungen, Optimierung der betrieblichen Prozesse, Schließen von Lücken in der Kassenkalkulation, Vermeidung von Datenmanipulation durch die Mitarbeiterschaft, Wissenstransfer für die leichtere Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen – all das ist durch eine Verfahrens- oder besser Prozessdokumentation, zu der auch immer ein Internes Kontrollsystem (IKS) gehört, möglich. 

Auch die Steuerberatungskanzlei zieht durch die Dokumentation einen Nutzen, da sie bessere Einblicke in das Unternehmen erhält – wodurch wiederum eine bessere Beratung möglich ist. Letztlich können auch die Betriebsprüfer:innen anhand einer Prozessdokumentation Prüfungsschwerpunkte setzen. „Das führt zu einer effizienteren Betriebsprüfung und Kassenschau“, stellt Gerd Achilles fest und macht anhand eines Beispiels deutlich, wie wichtig eine saubere Dokumentation mitsamt IKS ist: In einem Restaurant erlebte der Betriebsprüfer, dass einige Kellner in die Kasse nur Speisen einbuchten, die Getränke immer erst am Tisch abrechneten – und sich das Geld selbst einsteckten. „Das hatte System, und der Unternehmer hat nichts gemerkt.“

Wichtig ist auch, die Verfahrensdokumentation nicht nur zu erstellen, sondern auch nach ihr zu leben. Was aufgeschrieben wird, muss auch der Realität entsprechen – andernfalls hat die Dokumentation weder bei der Betriebsprüfung noch für das Unternehmen selbst einen Nutzen. 

Steuerberater:innen sollten selbst in Betriebe schauen

Um eine brauchbare Prozessdokumentation zu erstellen, brauchen Unternehmen aber Unterstützung durch Steuerberatungskanzleien. „Das allein hinzubekommen, ist schwierig“, meint der Experte. Auch im Internet kursieren viele Mustervorlagen, die mitunter zwar gut, aber nicht allein zu gebrauchen sind. „Wer eine Muster-Verfahrensdokumentation nimmt und nur seinen Namen drauf schreibt, der kann es auch gleich lassen“, findet Gerd Achilles deutliche Worte. Als Leitfaden halten solche Vorlagen zwar her, für die Erstellung einer Verfahrensdokumentation aber müssen die einzelnen Prozesse eines Unternehmens betrachtet werden – und die sind eben nicht überall gleich. Das ist aufwändig, weshalb unbedingt die Hilfe von Fachleuten, also Steuerberater:innen, in Anspruch genommen werden sollte. 

Für Steuerkanzleien hat der Experte den Ratschlag, in jeden Betrieb vor Ort reinzuschauen. „Das Problem ist häufig: Nach hinten raus läuft es gut, aber vorne läuft es falsch. Die Fehler macht nicht der Steuerberater, die Fehler macht der Unternehmer beziehungsweise die Mitarbeiter an der Kasse“, erklärt Gerd Achilles. Bei Bäckereien zum Beispiel hat der Betriebsprüfer schon öfter erlebt, dass sie nur zwischen zwei Warengruppen unterscheiden, nämlich zwischen Backwaren und Getränken. Oder auch, dass Rührei immer außer Haus verkauft wurde. Das führt zu letztlich zu inkorrekten Abrechnungen, die bei der Kassenschau dann auffallen und zu Problemen führen können. Mit einer Verfahrensdokumentation aber passiert das nicht, Unstimmigkeiten und Mängel fallen bei ihrer Erstellung auf. Warum also erst auf die Prüfung warten, wenn man Fehler im Vorfeld abstellen kann?